Cholera-Erreger machtlos gegen eigenes Immunsystem
23.01.2024Ihr molekulares Abwehrsystem schützt Bakterien vor Viren und macht sie gleichzeitig anfällig für Antibiotika. Das zeigt eine neue Studie von Forschungsteams der Universitäten Tübingen und Würzburg.
Auch Bakterien haben ein eigenes Immunsystem, das sie gegen spezielle Viren – sogenannte Bakteriophagen – schützt. Ein Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Würzburg zeigt nun, wie dies Immunsystem die Wirkung von bestimmten Antibiotika gegen den Cholera-Erreger Vibrio cholerae verstärkt. Das Immunsystem ist der Grund, warum dieses Bakterium besonders empfindlich auf eine der ältesten bekannten Antibiotikaklassen – die Antifolate – reagiert. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Microbiology veröffentlicht.
Vibrio cholerae ist weltweit für schwere Cholera-Ausbrüche verantwortlich und in vielen Entwicklungsländern endemisch. Das Immunsystem von Vibrio cholerae besteht aus mehreren molekularen Abwehrsystemen, die das Bakterium gegen Angriffe verschiedener Bakteriophagen schützen. Eines dieser Abwehrsysteme heißt CBASS (cyclic-oligonucleotide-based antiphage signaling system). Wird das Bakterium von Bakteriophagen angegriffen, wird CBASS aktiviert. CBASS bringt das infizierte Bakterium dazu, sich selbst zu zerstören und verhindert so eine weitere Infektion der Bakterienpopulation.
Antibiotika aktivieren das Abwehrsystem
Das Forschungsteam von Professorin Ana Brochado konnte zeigen, dass Antifolat-Antibiotika das Abwehrsystem CBASS auch in Abwesenheit von Bakteriophagen aktivieren. Brochado hat im April 2023 die Juniorprofessur für Drug-Microbiome Interaction an der Universität Tübingen angetreten. Zuvor leite sie eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der Universität Würzburg zur Erforschung der Wirkung von Antibiotika auf wichtige krankheitserregende Bakterien.
Das aktivierte CBASS verstärkte somit zusätzlich die Wirkung des Antibiotikums und führte zum Zelltod von Vibrio cholerae. „Wie bei einer Autoimmunerkrankung schadete die eigene Immunantwort dem Bakterium.“ sagt Dr. Susanne Brenzinger, die Erstautorin der Studie, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Universität Würzburg forscht.
Das Forschungsteam von Ana Brochado untersucht die Wirkung von Antibiotika mithilfe von Hochdurchsatz-Screenings und Computeranalysen. Beim Hochdurchsatz-Screening handelt es sich um eine automatisierte Methode, bei der die Wirkung von Tausenden von Substanzen auf Bakterien getestet wird. Diese Methode ermöglichte die Entdeckung der Wechselwirkungen zwischen CBASS und Antibiotika.
Neue Erkenntnisse über lange erprobte Antibiotika
„Antifolate gehörten zu den ersten Antibiotika auf dem Markt, sie hemmen die Synthese von Folaten, die Bausteine der DNA sind. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir mehr als neunzig Jahre nach der Einführung der Antifolate immer noch nicht alles über sie wissen. Überraschenderweise ändert das bakterielle Immunsystem ihre Wirkung“ sagt Brochado, die im Tübinger Exzellenzcluster „Controlling Microbes to Fight Infections“ zur Systembiologie von Antibiotika forscht.
Brochado ergänzt: „Wir können Antibiotika zielgerichteter einsetzen, je mehr wir über ihre Wirkweise wissen. Dies kann uns zukünftig bei der Entscheidung helfen, ob wir sie allein, in Kombination mit anderen Antibiotika oder sogar parallel zu einer Phagen-Therapie einsetzen. Nicht nur bei Cholera, sondern auch bei anderen bakteriellen Infektionen. Der angemessene und effektive Einsatz von Antibiotika hilft dabei, die Entstehung weiterer Antibiotikaresistenzen zu verhindern".
Originalpublikation
Brenzinger S, Airoldi M, Ogunleye AJ, Jugovic K, Amstalden MK, Brochado AR. The Vibrio cholerae CBASS phage defence system modulates resistance and killing by antifolate antibiotics. Nat Microbi-ol. 2024 Jan;9(1):251-262. doi: 10.1038/s41564-023-01556-y.
Kontakt
Prof. Dr. Ana Rita Brochado, Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT), Universität Tübingen, ana.brochado@uni-tuebingen.de