Pflanzen gegen Stress resistent machen
04/27/2011Wissenschaftler aus Würzburg, Erlangen und München arbeiten in einem neuen bayerischen Forschungsverbund zusammen. Sie wollen Pflanzen fit für die Zukunft machen – und setzen dabei auch auf die Beteiligung von Geistes- und Sozialwissenschaftlern.
Das Problem liegt klar auf der Hand: Einerseits zeigen sich die Folgen des Klimawandels auch in unseren Breiten immer deutlicher. Überdurchschnittlich lange Perioden, in denen wenig oder gar kein Regen fällt, wechseln sich ab mit extrem starken Niederschlägen, die zu Hochwasser und Überschwemmungen führen. Für Pflanzen bedeuten diese Schwankungen Stress, der sich in der Landwirtschaft häufig durch sinkende Erträge bemerkbar macht.
Andererseits sind heutige Kulturpflanzen kaum noch an solche Extremsituationen angepasst. Bei der Zucht standen in erster Linie Eigenschaften im Vordergrund, die zu einer Ertragssteigerung führten. Gene, die für die Stressresistenz von Pflanzen verantwortlich sind, wurden hingegen vernachlässigt und gingen häufig verloren.
Der neue Forschungsverbund
Wie sich Pflanzen gegen Stress schützen, das untersuchen in den kommenden drei Jahren Wissenschaftler in dem neuen, bayernweiten Forschungsverbund Forplanta. Das Wissenschaftsministerium unterstützt die Arbeit mit rund 1,5 Millionen Euro. Ziel ist es, „auf Basis der im Verbund gewonnenen Grundlagenerkenntnisse den Ertrag von Nutzpflanzen unter veränderten Klimabedingungen durch deren gezielte Veränderung zu sichern und zu steigern“, wie es in einer Pressemitteilung des Ministeriums heißt.
An dem Forschungsverbund beteiligt sind hochkarätige Wissenschaftler aus dem Bereich der Pflanzenphysiologie, der Botanik und der Biochemie; Mitglieder sind aber auch ein Soziologe und ein Naturphilosoph. Die Universität Würzburg ist durch Professor Rainer Hedrich, Inhaber des Lehrstuhls für molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik, bei Forplanta vertreten.
Forschung an der Ackerschmalwand
An der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie sich Pflanzen an unterschiedliche Stress-Situationen, wie beispielsweise Trockenheit, Hitze oder Krankheitserreger, anpassen können – ein Gebiet, auf dem Rainer Hedrich langjährige Expertise besitzt.
So haben Hedrich und sein Mitarbeiter Peter Arche erst im vergangenen Sommer in der Fachzeitschrift The Plant Journal eine Arbeit vorgestellt, für die sie bei der Ackerschmalwand den Wasserfluss von der Wurzel in die Blätter untersucht hatten.
Neue Theorie zum Wassertransport in der Pflanze
„Die klassische Kohäsionstheorie besagt, dass das Wasserleitungssystem der Pflanze wie ein Docht arbeitet: Durch die Spaltöffnungen in den Blättern verdunstet Wasser. Dieser Verlust wird wettgemacht, indem über Stamm und Wurzel Wasser aus dem Boden nachgesaugt wird – wie durch einen Strohhalm“, erklärt Hedrich. Dieser Theorie zufolge ist dieser Wassertransport von rein physikalischen Größen wie Kohäsion oder Schwerkraft bestimmt.
Zumindest für die Pflanze Arabidopsis scheint die klassische Theorie nicht zu gelten: Neben den rein physikalischen Faktoren muss es auch biologische Mechanismen geben, die das Wasser von der Wurzel in die Blätter leiten. Davon sind Hedrich und Ache aufgrund ihrer Experimente mit Arabidopsis-Mutanten überzeugt.
Das Experiment: Bei Dunkelheit schneidet man von einer normalen Arabidopsis-Pflanze ein Blatt ab, stellt es in Wasser und schaltet Licht an. Die Spaltöffnungen gehen auf, um Kohlendioxid für die einsetzende Photosynthese ins Blatt zu lassen. Gleichzeitig geht durch die Öffnungen Wasser verloren. Um einen größeren Wasserverlust zu unterbinden, schließen sich die Spaltöffnungen, das Blatt umgeht damit den gefährlichen Welk-Prozess. Mit dieser hochempfindlichen Regulation der Stomata bleibt der Wasserhaushalt stabil und damit das Weiterleben gesichert.
Forschung an Mutanten
Bei Arabidopsis-Mutanten, die die Spaltöffnungen ihrer Blätter nicht richtig regulieren können, funktioniert dieser Ablauf nicht: Nach dem Einschalten des Lichts bleiben ihre Spaltöffnungen trotz des zu hohen Wasserverlustes offen, die Blätter erschlaffen. Die Mutanten können dem Wassermangel nicht entgegensteuern, sie haben die Kontrolle darüber verloren – entgegen der Kohäsionstheorie bekommen sie nicht genug Wasser über das intakte Gefäßsystem nachgeliefert.
Abgeschnittene Blätter, also Pflanzenteile ohne Wurzel, haben den sogenannten Wurzeldruck, mit dem sie unter bestimmten Bedingungen in die Wasserversorgung eingreifen können, verloren. Dennoch beobachten die Würzburger Pflanzenforscher, dass welkende Blätter zwischendurch versuchen sich wieder aufzubäumen.
Fazit der Würzburger Forscher: „Die klassische Theorie des Wassertransports kann so nicht stimmen. Irgendwo in der Pflanze ist ein biologisches Nadelöhr aus zell- und gewebespezifischen Prozessen, ohne die der Wassertransport nicht funktioniert.“
Status der Spaltöffnungen bestimmt, ob Blätter erschlaffen
Hedrich und Ache haben nun gezeigt, dass die Spannkraft eines Blattes die Öffnungsweite der Spaltöffnungen widerspiegelt. Denn jede Änderung der Öffnungsweite bedingt eine Veränderung des Blattinnendruckes.
Unter anderem wegen dieser Entdeckung „und unseren grundlegenden molekularen und biophysikalischen Arbeiten zur Funktion der Schließzellen bei der Regulation der Transpiration“, vermutet jedenfalls Rainer Hedrich, wurde der Würzburger Arbeitskreis als Mitglied für Forplanta ausgewählt.
Das Würzburger Projekt
Aufgabe der Würzburger Pflanzenphysiologen wird es in den kommenden drei Jahren sein, die Arbeitsweise der Schließzellen, die die Spaltöffnungen steuern, genauer zu analysieren. „Wir haben dazu eine Methode entwickelt, mit der sich Arabidopsis-Schließzellen stark anreichern lassen, ohne dabei geschädigt zu werden“, erklärt Hedrich.
Welche Genabschnitte sind bei welchem Stadium der Spaltöffnung aktiv? Welche Regulationsmechanismen steuern sie? Wie beeinflussen Faktoren wie Licht, Temperatur, Luftfeuchte und CO2-Gehalt diese Abläufe? Diese – und weitere – Fragen werden Hedrich und seine Mitarbeiter erforschen. „Mit den so gewonnenen Erkenntnissen wollen wir ein neues Modell für die Schließzellbewegung erstellen“, sagt Hedrich.
Im Idealfall soll es möglich sein, die komplexen Regulationsmechanismen der Schließzellen zu identifizieren und daraus klimabedingte Veränderungen im Wassertransport der Pflanze vorherzusagen. „Wenn wir die Stellgrößen und Schlüsselglieder der Reaktion der Schließzellen auf Veränderungen des Klimas kennen, können wir frühzeitig gezielte Züchtungsprogramm in Angriff nehmen“, so Hedrich.
Die gesellschaftliche Bewertung
„Grüne Gentechnik“ heißt das dazu passende Stichwort – sprich: der gezielte Einsatz von gentechnischen Methoden, um Pflanzen fit für die Zukunft zu machen. Weil diese Technik in der Gesellschaft nicht ganz unumstritten ist, arbeiten bei Forplanta nicht nur Naturwissenschaftler mit.
Der Soziologe Professor Bernhard Gill (LMU München) und der Naturphilosoph Professor Christian Kummer (Hochschule für Philosophie München) werden parallel zur Arbeit der Pflanzenexperten den Zusammenhang zwischen Nutzen der Grünen Gentechnik und ihrer gesellschaftlichen Bewertung untersuchen.
Kontakt: Prof. Dr. Rainer Hedrich, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg, T (0931) 31-86100,
E-Mail: hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de