Chair of Biochemistry

Venusfliegenfalle erzeugt Magnetfelder

25.01.2021

Die fleischfressende Venusfliegenfalle kann Magnetfelder erzeugen, die fast so stark sind wie die im Menschen. Das haben Forschende aus Mainz und Würzburg mit einer neuen, nicht-invasiven Messtechnik nachgewiesen.

Die Fallen der Venusfliegenfalle weisen eine einzigartige Anordnung im Leitgewebe (Mitte) auf. Durch dieses Netzwerk kann die Pflanze schnelle Reize verarbeiten, ähnlich wie das tierische Nervensystem. Nun ist es gelungen, diese Reize berührungslos mit neuartigen Magnetfelddetektoren (rechts) zu untersuchen.
Die Fallen der Venusfliegenfalle weisen eine einzigartige Anordnung im Leitgewebe (Mitte) auf. Durch dieses Netzwerk kann die Pflanze schnelle Reize verarbeiten, ähnlich wie das tierische Nervensystem. Nun ist es gelungen, diese Reize berührungslos mit neuartigen Magnetfelddetektoren (rechts) zu untersuchen. (Bild: Sönke Scherzer / Universität Würzburg)

Die Venusfliegenfalle Dionaea muscipula wird seit rund zehn Jahren an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg erforscht. Dem Team um den Biophysiker Professor Rainer Hedrich sind seitdem immer wieder neue, bahnbrechende Einblicke in das geheime Leben dieser fleischfressenden Pflanze gelungen.

In ihrer jüngsten Arbeit im Journal „Scientific Reports“ weist die JMU-Gruppe gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des Helmholtz-Instituts Mainz und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin nach, dass die elektrisch erregbare Venusfliegenfalle auch Magnetfelder erzeugen kann. Um diese Felder messen zu können, waren einige knifflige Herausforderungen zu meistern.

Elektrische Signale, auch Aktionspotentiale genannt, dienen der Venusfliegenfalle zur Detektion der Beute und zur Reizweiterleitung. Das funktioniert ganz ähnlich wie die Informationsübertragung in den neuronalen Netzwerken des Menschen. Erst mit der Hilfe der schnellen elektrischen Impulse kann die Falle blitzschnell zuschnappen. Dadurch kann sie sogar Fliegen fangen, die selbst für Menschen nur schwer zu erwischen sind.

Medizinischen Detektor für Pflanzen nutzbar gemacht

Im Gehirn des Menschen erzeugen elektrische Nervenimpulse magnetische Felder. In der Neurologie wird das ausgenutzt, um die Aktivität bestimmter Gehirnareale zu verfolgen: Bei der Magnetenzephalographie (MEG) werden die Patienten in der „Röhre“ untersucht. Dabei werden die elektrischen Nervenimpulse ihres Gehirns und die damit in Verbindung stehenden magnetischen Felder dreidimensional dargestellt.

Diese biomagnetischen Felder sind äußerst schwach; sie betragen nur wenige Femto-Tesla. Damit sind sie etwa hundert Milliarden Mal schwächer als das Erdmagnetfeld. Um diese schwachen Felder nachweisen zu können, braucht es extrem niedrige Temperaturen: Die Detektoren werden mit flüssigem Helium auf minus 269 Grad Celsius gekühlt.

In der Venusfliegenfalle rechneten die Mainzer Physikerinnen und Physiker mit ebenso schwachen oder sogar noch schwächeren elektromagnetischen Signalen. Darum führten sie ihre Experimente in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin durch. Dort schützt ein besonders abgeschirmter Versuchsraum vor Störsignalen von außen.

Falle immobilisiert und Aktionspotentiale berührungsfrei ausgelöst

Bevor sie die Venusfliegenfalle untersuchen konnten, galt es aber technische Hürden zu überwinden. „Bei der Untersuchung in der Röhre darf sich nichts bewegen, weil die Messung sonst nicht funktioniert“, erklärt JMU-Forscher Dr. Sönke Scherzer. Wie also kann man dort einen Vorgang untersuchen, bei dem Bewegung essentiell ist? Bei dem die Tasthaare der Venusfliegenfalle mechanisch stimuliert werden müssen, um Aktionspotentiale zu erzeugen, und bei dem am Ende die Falle zuschnappt?

„Wir haben das Problem gelöst, indem wir die Falle immobilisiert haben“, sagt Scherzer. „Wir mussten außerdem eine berührungs- und störungsfreie Methode finden, um die Aktionspotentiale auszulösen. Das war nicht einfach“, berichtet Rainer Hedrich. Denn schon minimale Störungen von außen verfälschen die Messungen. „Wir wussten aber, dass man Aktionspotentiale auch durch Wärmezufuhr auslösen kann. Also haben wir die Temperatur schrittweise erhöht. Ab der kritischen Schwelle von 34 Grad Celsius fing die Falle an, spontan Aktionspotentiale zu feuern, ohne sich dabei zu bewegen.“

Neuartige miniaturisierte Magnetfeld-Detektoren

Jetzt konnte die Doktorandin und Erstautorin der Arbeit, Anne Fabricant, die im Team um den Mainzer Atomphysiker Professor Dmitry Budker forscht, störungsfrei Aktionspotentiale auslösen und die dabei auftretenden biomagnetischen Signale analysieren. Dabei kamen neuartige miniaturisierte Magnetfeld-Detektoren zum Einsatz, die auf die Größe und Biologie der Venusfliegenfalle angepasst sind und die – anders als ihre medizinischen Vorgänger – nicht gekühlt werden müssen.

„Wir alle haben nicht schlecht gestaunt, als Anne Fabricant magnetische Felder aufzeichnen konnte, die denen von menschlichen Nerven nahe kommen“, erzählt Scherzer. In der Zukunft könnte diese neue nicht-invasive Technik genutzt werden, um gemeinsame Prinzipien und Unterschiede in der elektrischen Signalübertragung in Tieren und Pflanzen herauszuarbeiten. Denkbar ist auch der Einsatz mobiler MRT-Geräte, um bei Ackerpflanzen schnell und berührungslos Stress zu detektieren, der durch Hitze, Trockenheit oder Nährstoffmangel verursacht wird.

Publikation

Fabricant, A., Iwata, G.Z., Scherzer, S. et al.: Action potentials induce biomagnetic fields in carnivorous Venus flytrap plants, Sci Rep 11, 1438 (2021), Open Access: https://doi.org/10.1038/s41598-021-81114-w

Kontakt

Prof. Dr. Rainer Hedrich, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik),
Universität Würzburg, T +49 931 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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