Chair of Biochemistry

Überraschungen mit einem alten Bekannten

14.10.2013

Geht es um das Element Bor, sitzen die führenden Experten vermutlich in der Arbeitsgruppe von Professor Holger Braunschweig. Jetzt ist es seinem Team gelungen, mit Hilfe von Bor eine Reaktion in Gang zu setzen, die bisher nur mit Metallen machbar war. Aus Sicht der Chemiker kommt das überraschend.

Das Element Bor ist immer wieder für Überraschungen gut. Wozu es in der Lage ist, erforschen Chemiker der Universität Würzburg. (Grafik: Lehrstuhl für Anorganische Chemie II)

Vor gerade mal einem Jahr konnte es jeder in Science lesen: Jan Mies, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Holger Braunschweig, war es zum ersten Mal gelungen, eine stabile dreifache chemische Bindung zwischen zwei Bor-Atomen zu knüpfen. An der Realisierung solch einer Bor-Bor-Dreifachbindung waren in den Jahrzehnten zuvor viele Wissenschaftler gescheitert. Schon damals war klar: Die neue Verbindung sollte interessante Reaktionen möglich machen und eventuell den Wege für die Entwicklung neuartiger Materialien öffnen.

Jetzt legen die Würzburger Bor-Experten nach: In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Chemistry schildern sie, wie sie mit Hilfe der Bor-Verbindung den zentralen Schritt einer Reaktion starten konnten, die in der Chemie schon seit fast 100 Jahren bekannt ist, die bisher aber nur mit der Hilfe von Metallatomen in Gang gesetzt werden konnte: die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese.

Ein altes Verfahren wird modifiziert

1925 entdeckten Franz Fischer und Hans Tropsch am Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung, dass beim Erhitzen einer Gasmischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid mit einem metallischen Katalysator die Gase zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt wurden. Diese Kohlenwasserstoffe ähnelten in ihren Eigenschaften dem heute weltweit in Verbrennungsmotoren verwendeten Benzin. Kein Wunder, dass diese Entdeckung für große Begeisterung sorgte, versprach sie doch eines der damals drängendsten Energieprobleme in Europa zu lösen: den Mangel an Rohöl aus heimischer Förderung.

Mit Hilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens wurde es nun möglich, beispielsweise aus Kohle, die in Deutschland in ausreichender Menge vorhanden war, flüssigen Kraftstoff zu produzieren, der in Motoren zum Einsatz kommen konnte. Da aber zur gleichen Zeit weltweit riesige Ölvorkommen entdeckt wurden und in der Folge der Ölpreis sank, wurde das Fischer-Tropsch-Verfahren zur Kraftstoffherstellung unrentabel und blieb es bis heute. Das Verfahren hat deshalb nie ganz gehalten, was man sich von ihm versprochen hatte, und wird momentan nur begrenzt in der Industrie eingesetzt.

Auf die CO-Verbindung kommt es an

Was Kohlenwasserstoffe auszeichnet, sind lange Ketten von Kohlenstoffatomen. Beim Fischer-Tropsch-Verfahren werden diese Ketten mit der Hilfe von Metallatomen zusammengesetzt; die dafür notwendigen Kohlenstoffatome holt sich der metallische Katalysator aus Kohlenmonoxid (CO). Allerdings sind nur sehr wenige Metalle dazu in der Lage, und – nach dem bislang gültigen Kenntnisstand – überhaupt nur Metalle.

Die Entdeckung aus dem Labor von Professor Holger Braunschweig zeigt allerdings: Nicht nur Metalle können Kohlenmonoxidmoleküle miteinander verknüpfen; auch das Element Bor ist in einer bestimmten Konstellation dazu in der Lage. Das kam überraschend, angesichts der Tatsache, dass Bor – im Gegensatz zu den meisten Metallen – ein sehr kleines, einfaches Element mit nur fünf Elektronen ist.

Bor stiftet Verbindungen

Jan Mies hatte schon früh erkannt, dass die von ihm entdeckte Bor-Bor-Dreifachbindung äußerst instabil ist und mit fast allem reagiert, was mit ihr in Berührung kommt. Aus dem Wunsch heraus, „festzustellen, was das Molekül alles kann“, fügten Mies, die Masterstudentin Theresa Dellermann, der Techniker Kai Hammond und der Postdoktorand Dr. William Ewing der Verbindung Kohlenmonoxid hinzu. Dabei stellten sie zu ihrem eigenen Verblüffen fest: Das Molekül bindet zunächst ein CO-Molekül, als würde es eine Gruppe von Metallatomen imitieren, und bindet dann drei weitere CO-Moleküle in ein flaches Netzwerk ein, das immer noch die Boratome enthält.

Anhand von elektrochemischen Untersuchungen durch Dr. Ivo Krummenacher sowie Berechnungen durch das internationale Team theoretischer Chemiker von Dr. Oscar Jimenez-Halla (Universität Guanajuato, Mexiko), Dr. Alfredo Vargas (Universität Sussex, UK) und Dr. Ashwini Phukan (Tezpur Universität, Indien) konnte die Gruppe nachvollziehen, wie und warum die Reaktion funktionierte.

Bor hat eine Zukunft als Metallimitator

Die von der Gruppe entdeckte Reaktion wird vermutlich nicht gleich eine Revolution in der Industrie auslösen. Dennoch könnte das Prinzip der Bindung von Kohlenstoffatomen mit Hilfe von nichtmetallischen Reagenzien die Türen öffnen für eine weitergehende Verwendung von Bor als Helfer beim Bau von interessanten Molekülen, vermuten die Chemiker.

Noch vielversprechender ist aber die Beobachtung, dass die Borverbindungen Reaktionen durchführen können, von denen man bisher annahm, dass sie ausschließlich Metallen vorbehalten sind. Wenn Bor sich wie Metall verhalten kann, welche anderen üblicherweise metallbasierten Prozesse kann es dann noch erleichtern? Weitere Beispiele für dieses Metallnachahmungsverhalten von Bor zu finden, hat deshalb jetzt oberste Priorität in der Forschungsarbeit der Gruppe um Holger Braunschweig.

Gunnar Bartsch / Rian Dewhurst

Metal-free binding and coupling of carbon monoxide at a boron–boron triple bond. Holger Braunschweig, Theresa Dellermann, Rian D. Dewhurst, William C. Ewing, Kai Hammond, J. Oscar C. Jimenez-Halla, Thomas Kramer, Ivo Krummenacher, JanMies, Ashwini K. Phukan and Alfredo Vargas. Nature Chemistry advanced online publication DOI: 10.1038/NCHEM.1778

Kontakt

Prof. Dr. Holger Braunschweig, Institut für Anorganische Chemie der Universität Würzburg
T (0931) 31-85260, h.braunschweig@uni-wuerzburg.de

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