Stadtbäume als Lebensräume
08.06.2021Die Stadtbäume der Zukunft müssen den Klimawandel aushalten. Dafür eignen sich Arten, die hier nicht heimisch sind. Wie aber kommen diese Bäume bei Insekten an? An dieser Frage forschen Studierende der Biologie mit.
In Städten sind es bislang vor allem heimische Baumarten wie Ahorn, Linde, Platane, Esche, Eiche und Kastanie, die an den Straßen wachsen oder Plätze begrünen. Allerdings setzt der Klimawandel diesen Baumarten an vielen Standorten zu.
Hitze und Dürre bringen die Bäume an die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit. Sie werden anfälliger für Schädlinge und Krankheiten, erklärt Dr. Susanne Böll von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim. Die Biologin leitet dort das Langzeitprojekt „Stadtgrün 2021“: Sie erforscht, welche Baumarten dem Klimawandel trotzen und als Stadtbäume der Zukunft in Frage kommen.
Seit 2010 testen die Fachleute der LWG stresstolerante Baumarten an drei klimatisch unterschiedlichen Standorten in Bayern – in Kempten, Hof/Münchberg und Würzburg. In diesen Städten wurden insgesamt rund 650 Bäume von 30 verschiedenen Arten gepflanzt.
Gesetzt wurden durchweg Arten, die an Trockenstress angepasst sind. Sie stammen überwiegend aus (Süd-)Osteuropa, Nordamerika und Asien. Zu den Baumarten, die künftig das Stadtbild prägen könnten, gehören beispielsweise die Silber-Linde, der amerikanische Amberbaum oder die asiatische Purpur-Erle.
Biodiversitäts-Potenzial im Blick
Aktuell werden die „exotischen“ Baumarten in Kooperation mit Dr. Marcell Peters vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg auf ihr Biodiversitäts-Potenzial untersucht.
Die Frage ist: Wie gut erfüllen die nicht-heimischen Bäume die Bedürfnisse der heimischen Insekten? Schließlich möchte niemand Zukunftsbäume pflanzen, die Wildbienen, Käfern & Co. keine geeigneten Lebensräume bieten. Denn das könnte das Insektensterben verstärken und weitere ökologische Nachteile haben.
Aktuell forschen in dem Projekt drei Biologie-Studierende der JMU mit: Paul Geisendörfer und Jean-Léonard Stör untersuchen, ob in den Kronen heimischer Straßenbaumarten mehr oder andere Insekten leben als in den Kronen der exotischen Bäume. Aufschluss über die Vielfalt an Bienen, Ameisen, Käfern oder Spinnen bekommen sie mit Hilfe verschiedener Fallensysteme.
Studentin Leonie Feik untersucht die Hitzetoleranz der gefundenen Tiere. Bei ihrer Studie steht die Frage im Zentrum, ob die in den Baumkronen herrschenden Sommertemperaturen womöglich die Toleranzgrenze mancher Insekten überschreiten.
Pilotstudie lieferte erste Erkenntnisse
Bis auf eine Pilotstudie aus dem Jahr 2017 gibt es keinerlei Erkenntnisse dazu, wie gut nicht-heimische Baumarten von der städtischen Insektenfauna angenommen werden.
Damals wurden heimische mit einigen südosteuropäischen Baumarten verglichen. Das Ergebnis war ermutigend: Was die Biodiversität im Kronenraum angeht, gibt es keine Unterschiede. In die aktuellen Untersuchungen sind nun deutlich mehr exotische Arten einbezogen, wie Susanne Böll erklärt.
Was die Pilotstudie ebenfalls zeigte: „Wir brauchen ein möglichst breites Spektrum von Baumarten. Denn je gemischter, desto besser für die Artenvielfalt“, so die LWG-Projektleiterin. Neben verschiedenen Baumarten spiele auch der Grünstreifen unter den Bäumen als Nistplatz und Nahrungsquelle für Insekten eine herausragende Rolle.
Mischalleen mit passenden Grünstreifen
Die Zukunft – also das grüne Stadtbild von morgen – seien darum aller Voraussicht nach Mischalleen mit einer Kombination aus nicht-heimischen und heimischen Baumarten, die mit einem passenden Grünstreifen angelegt werden. Dies fördert nicht nur die Insektenvielfalt, sondern mindert auch die Gefahr, dass bei Problemen mit einzelnen Baumarten das Grün in der Stadt flächendeckend verschwindet.
Wie die urbane Insektenvielfalt darüber hinaus gefördert werden kann, werden die gesammelten Daten am Ende der Projektlaufzeit im Herbst 2023 zeigen.
Webseite des Projekts „Stadtgrün 2021“ – Neue Bäume braucht das Land