Chair of Biochemistry

Proteinkugeln schützen das Genom von Krebszellen

29.11.2022

Hohlkugeln aus MYC-Proteinen stoßen der Krebsforschung neue Türen auf. Würzburger Forschende haben sie entdeckt und berichten im Journal „Nature“ über diesen Durchbruch.

MYC-Proteine sind in dieser Abbildung grün gefärbt. In normal wachsenden Zellen sind sie gleichmäßig im Zellkern verteilt (links). In vielfältigen Stress-Situationen, wie sie in Krebszellen vorkommen, lagern sie sich um, bilden kugelartige Strukturen und umgeben damit besonders gefährdete Abschnitte des Genoms.
MYC-Proteine sind in dieser Abbildung grün gefärbt. In normal wachsenden Zellen sind sie gleichmäßig im Zellkern verteilt (links). In vielfältigen Stress-Situationen, wie sie in Krebszellen vorkommen, lagern sie sich um, bilden kugelartige Strukturen und umgeben damit besonders gefährdete Abschnitte des Genoms. (Bild: Team Martin Eilers / Universität Würzburg)

Bei der Entstehung und Entwicklung fast aller Krebserkrankungen spielen MYC-Gene und ihre Proteine eine zentrale Rolle. Sie treiben das unkontrollierte Wachstum und den veränderten Stoffwechsel von Tumorzellen an. Und sie helfen den Tumoren dabei, sich vor dem Immunsystem zu verstecken.

MYC-Proteine zeigen außerdem eine Aktivität, die bislang unbekannt war – und die der Krebsforschung nun neue Türen aufstößt: Sie lagern sich zu Hohlkugeln zusammen, die sich schützend um besonders empfindliche Stellen des Erbguts legen. Zerstört man die Kugeln, sterben die Krebszellen.

Das berichtet ein Forschungsteam um Martin Eilers und Elmar Wolf vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Journal „Nature“. Die Professoren sind überzeugt, dass ihre Entdeckung ein „game changer“ für die Krebsforschung ist, ein wichtiger Durchbruch auf dem Weg zu neuen Therapiestrategien.

Hohlkugeln schützen empfindliche Stellen der DNA

Was das Team entdeckt hat: Werden Zellen im Labor unter Stress-Bedingungen gehalten, die denen in schnell wachsenden Tumorzellen ähneln, lagern sich die MYC-Proteine im Zellkern auf dramatische Weise um. Sie schließen sich zu Hohlkugeln zusammen, die aus tausenden MYC-Proteinen bestehen.

Die Hohlkugeln umgeben und schützen einzelne, besonders sensible Stellen im Erbgut – und zwar genau die Stellen, an denen zwei Typen von Enzymen kollidieren können: Enzyme, die die DNA ablesen, und Enzyme, die die DNA verdoppeln. Beide kann man sich wie zwei Züge vorstellen, die auf nur einem Gleis unterwegs sind, auf der DNA.

Die Hohlkugeln verhindern also, dass die beiden „Enzym-Maschinen“ aufeinanderprallen. Diese Beobachtung konnte das Würzburger Team in Krebszellen bestätigen. Schaltet man die Schutzfunktion der Proteinkugeln experimentell aus, kommt es zu Kollisionen der Enzyme und in der Konsequenz zu vielfältigen Brüchen der DNA – das führt schließlich zum Tod der Krebszellen.

Suche nach spezifisch wirksamen Medikamenten

„Diese Beobachtungen revolutionieren unser Verständnis, wieso MYC-Proteine so entscheidend für das Wachstum von Tumorzellen sind“, sagt Martin Eilers. Die neuen Erkenntnisse werfen auch die Frage auf, ob man Medikamente entwickeln kann, die die Bildung der Hohlkugeln spezifisch verhindern.

Um diese Entwicklung vorwärtszutreiben, haben Eilers und Wolf eine Firma gegründet. Zusammen mit der Universität und Partnern aus der Pharmaindustrie wurde die Suche nach Medikamenten aufgenommen, welche in die neu entdeckten Funktionen der MYC-Proteine eingreifen.

„Dass Investoren es uns ermöglicht haben, so schnell zu gründen, ist sicher nicht alltäglich“, sagen die JMU-Professoren. Auch das sehen sie als Zeichen dafür, dass sie eine Entdeckung gemacht haben, die sehr vielversprechend ist.

Publikation

Multimerization of MYC shields stalled replication forks from RNA polymerase. Nature, 23 November 2022, DOI: 10.1038/s41586-022-05469-4

Kontakt

Prof. Dr. Martin Eilers, Biozentrum, Universität Würzburg, T +49 931 31-84111, Martin.Eilers@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Europäischen Forschungsrat im Rahmen des ERC Advanced Grant AuroMYC, des ERC Synergy Grant ULTRARESOLUTION und des ERC Starting Grant TarMYC.

Von Robert Emmerich

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