Chair of Biochemistry

Homochiralität und der Ursprung des Lebens

07.06.2024

Über diese Thematik sprach Donna Blackmond, Professorin am kalifornischen Scripps Research Institute, anlässlich der Siegfried-Hünig-Vorlesung 2024 an der Fakultät für Chemie und Pharmazie.

Donna G. Blackmond und Claudia Höbartner
Donna G. Blackmond und Claudia Höbartner (Foto: C. Stadler)

Eine der größten noch ungeklärten Fragen in den Naturwissenschaften ist die nach dem Ursprung des Lebens auf unserem Planeten. Zwar weiß man längst, dass vor vier Milliarden Jahren die Bedingungen für die Entstehung erster organischer Moleküle gegeben waren, aus denen sich im Laufe der Zeit auch die typischen Biomakromoleküle entwickeln konnten, ohne die irdisches Leben nicht möglich wäre. Aber nicht zuletzt der Ursprung der Homochiralität aller natürlichen Biomoleküle gibt weiterhin Rätsel auf.

Aus dem All auf die Erde?

In allen Lebewesen findet man ausschließlich L-Aminosäuren und D-Zucker als Bausteine der genetisch kodierten Biopolymere, nicht aber die jeweiligen Enantiomere. Es gibt verschiedene Theorien zu diesem Phänomen. Eine davon lautet, dass irgendwann homochirales Material mit Meteoriten auf die Erde gelangte. Donna Blackmond stieg mit dieser Theorie in ihren Vortrag mit dem Titel „Physical and Chemical Models for the Emergence of Biological Homochirality“ ein. Allerdings ist sie selbst keine Verfechterin dieser Theorie und präsentierte in der Folge die beeindruckenden Ergebnisse aus 20 Jahren Forschung zu diesem Thema.

Von Pasteur über Natriumchlorat zur Homochiralität der Biopolymere

Dass Pasteur die spiegelbildliche Symmetrie von Tartratkristallen erkannte, indem er diese mit der Pinzette unter dem Mikroskop sortierte, dürfte allen im Auditorium bekannt gewesen sein. Dass auch das achirale Salz Natriumchlorat in zwei optisch aktiven Formen kristallisiert und durch Rühren während der Kristallisation sogar fast ausschließlich eine der beiden Formen entsteht, dürfte die allermeisten überrascht haben.

Mit Begriffen wie chirale Amnesie und Anreicherung durch eutektische Partitionierung beschrieb Donna Blackmond die zugrundeliegenden physikalischen und/oder chemischen Prozesse. Die von ihr gefunden Mechanismen der Enantiomerenanreicherung chiraler Moleküle liefern eine plausible Erklärung dafür, wie in einer racemischen präbiotischen Welt ein Enantiomer zur dominierenden Form werden könnte. Außerdem haben ihre Ergebnisse das Potenzial für zahlreiche Anwendungen in der synthetischen Chemie und in der pharmazeutischen Industrie.

Donna Blackmond

Donna Blackmond forschte an der University of Pittsburg, in der pharmazeutischen Industrie, am MPI für Kohlenforschung in Mülheim, an der University of Hull und am Imperial College in London, bevor sie im Jahr 2010 ans Scripps Research Institute in La Jolla in Kalifornien wechselte, wo sie seitdem forscht.

Sie ist gewähltes Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien und erhielt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Ehrungen, darunter den IUPAC Award for Distinguished Women in Chemistry or Chemical Engineering und den Humboldt-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Siegfried Hünig

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Siegfried Hünig, Jahrgang 1921, war ein visionärer Chemiker, nach dem nicht nur die weltweit bekannte Hünig-Base benannt wurde, sondern der auf mehreren Themengebieten der physikalisch-organischen Chemie wichtige erste Impulse setzte und überdies als leidenschaftlicher Hochschullehrer und Institutsdirektor prägend war für die Entwicklung der chemischen Institute in Würzburg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er verstarb im Jahr 2021 wenige Tage vor seinem 100. Geburtstag und vor der Aufnahme in die Rubrik „Heroes of Chemistry“ der Zeitschrift Angewandte Chemie.

Zu seinen Ehren wurde bereits zu seinen Lebzeiten im Jahre 2011 die Siegfried-Hünig-Vorlesung ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Namensvorlesung wird einmal jährlich ein international renommierter Chemiker zum Vortrag nach Würzburg eingeladen.

Links

Die Siegfried-Hünig-Vorlesung: Informationen und Chronologie

Website von Prof. Dr. Donna Blackmond (Scripps Research Institute)

Von C. Stadler

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