Virtuelles Laserlabor „femtoPro“ erstmals in der Lehre eingesetzt – Vollversion kostenlos erhältlich
16.08.2022Nach dreijähriger Entwicklung wurde das interaktive Virtual-Reality-Laserlabor „femtoPro“ erstmals in der Lehre an der Uni Würzburg eingesetzt. Die erste Vollversion ist nun auch für die Öffentlichkeit als zeitlich begrenztes Angebot kostenlos verfügbar.
Die Lehre nichtlinearer Optik und Spektroskopie beschränkt sich für gewöhnlich auf die Vermittlung theoretischer Kenntnisse durch Vorlesungen und Seminare. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von voll ausgestatteten Laserlaboren und Lehrpersonal ist es jedoch eine Herausforderung, praktische Kenntnisse für die korrekte und sicherere Handhabung optischer Experimente zu vermitteln. Wie kann man aber lernen, solche Experimente aufzubauen und sicher mit Laserstrahlung umzugehen?
Um eine fundierte praktische Ausbildung in Optik und Spektroskopie zu ermöglichen, hat ein Team von Entwicklern des Lehrstuhls für Physikalische Chemie I und der Arbeitsgruppe Games Engineering am Informatiklehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion der JMU das interaktive virtuelle Femtosekundenlaserlabor „femtoPro“ entwickelt. Durch den Einsatz von Virtual-Reality-Headsets (VR-Headsets) können sich Personen frei in einem virtuellen Laserlabor bewegen und mit Hilfe einer intuitiven und detailgetreuen Simulation erlernen, wie man komplexe optische Experimente aufbaut und unter Berücksichtigung von Laser-Sicherheitsregeln sicher mit solchen Experimenten umgeht.
Erster Einsatz als vorlesungsbegleitende praktische Lehreinheit
femtoPro wurde in den drei vergangenen Jahren stets weiterentwickelt. Nun wurde die erste Vollversion des Programms im Rahmen der Vorlesung „Ultrakurzzeitspektroskopie und Quantenkontrolle“ erstmals als virtuelles Laserlaborpraktikum eingesetzt. Die Studierenden konnten dabei in wöchentlichen Lehreinheiten mittels Schritt-für-Schritt-Anleitungen lernen, wie man einfache und fortgeschrittene optische Experimente aufbaut, justiert und bedient. „Wir haben nun erstmals die Möglichkeit, die theoretischen Lehrveranstaltungen mit praktischen Lehreinheiten so zu ergänzen, dass alle Studierende einen praktisch uneingeschränkten Zugang zu einem vollausgestatteten Laserlabor haben. Die Studierenden können die Theorie der Vorlesung direkt in die Praxis umsetzen und dabei praktische Prozeduren trainieren. Somit erhalten sie einen Eindruck über die grundlegende praktische Arbeit in unserer Forschung und sind viel besser auf Forschungspraktika in den echten Laboren unserer Arbeitskreise vorbereitet“, erläutert Professor Tobias Brixner, Leiter des Lehrstuhls für Physikalische Chemie I und Entwickler von femtoPro.
Der Einsatz von femtoPro trägt ferner dazu bei, ein Bewusstsein für den sicheren Umgang mit Laserstrahlung zu entwickeln. Sollte der Laserstrahl die Begrenzungen des Lasertisches verlassen oder der Strahldurchmesser eine bestimmte Größe überschreiten, so wird man mit Warnungen darauf aufmerksam gemacht. Trifft der Strahl auf die virtuellen Augen, wird man mit Hilfe eines eindringlichen audiovisuellen Feedbacks gewarnt.
Einsatz an Universitäten weltweit geplant
Im Hinblick auf gegenwärtige Digitalisierungsbestreben stellt femtoPro einen wichtigen Ansatz dar, eine effiziente praktische Ausbildung in Optik und Spektroskopie zu ermöglichen. Kosten von mehreren hunderttausend Euro können eingespart werden, da lediglich VR-Headsets angeschafft werden müssen anstatt die Kapazitäten realer Laserlabore zur Verfügung zu stellen, welche ohnehin im stetigen Einsatz für Forschungszwecke sind.
femtoPro wurde kürzlich auf der International Conference on Ultrafast Phenomena in Montréal, Kanada (18. - 22. Juli) präsentiert, welche als die weltweit wichtigste Konferenz auf dem Gebiet der nichtlinearen Optik und ultraschnellen Spektroskopie gilt. Internationale Forschende testeten femtoPro dort an einem Messestand und äußerten ihr Interesse für den Einsatz in der Lehre an ihren Universitäten.
Stetige Weiterentwicklung des Programms
femtoPro soll in den nächsten Jahren kontinuierlich mit neuen Features und Inhalten erweitert werden. Derzeit arbeitet das Entwicklerteam beispielsweise an einem „Multiplayer-Modus“, mit dem mehrere Studierende in der Lage sein werden, über das Internet zusammen am gleichen optischen Experiment im selben virtuellen Labor zu arbeiten. „Darüber hinaus werden wir die einzigartigen Visualisierungsmöglichkeiten, welche die VR-Technologie bietet, nutzen, um die anschauliche Vermittlung von physikalischen Sachverhalten zu optimieren“, erklärt Kooperationspartner Professor Sebastian von Mammen, Leiter der Arbeitsgruppe Games Engineering an der JMU.
Kostenloser Download bis 31. Oktober 2022
Die Vollversion 0.4.0 von femtoPro ist für die Öffentlichkeit nun auch zum Download verfügbar. Die Vollversion umfasst einen praktischen Laborkurs von insgesamt 23 Lehreinheiten. Während in den ersten Lehreinheiten die Steuerung und die Grundkonzepte von femtoPro eingeführt werden, gibt es weiterhin Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu grundlegenden Justageprozeduren, linearen optischen Aufbauten wie verschiedene Arten von Teleskopen, sowie Lehreinheiten zu fortgeschrittenen Experimenten wie Michelson- und Mach-Zehnder-Interferometern. In „Sandbox-Leveln“ kann an bereits vorjustierten Interferometern experimentiert werden oder ein ganz eigenes optisches Experiment aufgebaut werden. Eine vollständige Liste der Neuerungen und Änderungen kann dem Versionsverlaufauf der femtoPro-Webseite entnommen werden.
Als ein begrenztes Einführungsangebot kann die Vollversion bis zum 31. Oktober 2022 kostenlos genutzt werden. Die Vollversion ist über den Download-Bereich auf der femtoPro-Webseite erhältlich. Das Programm läuft auf den VR-Headsets Oculus/Meta Quest, Oculus/Meta Quest 2 sowie Pico Neo 2 Eye und Pico Neo 3 Pro Eye.
Kontakt
Prof. Dr. Tobias Brixner, Lehrstuhl für Physikalische Chemie I, Universität Würzburg
Prof. Dr. Sebastian von Mammen, Games Engineering, Universität Würzburg,
https://www.femtopro.com, femtopro@uni-wuerzburg.de, T +49 931 31-80036