Dimmer für Medikamente entwickelt
27.11.2013Viele Medikamente folgen dem Prinzip „alles oder nichts“. Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, eine Art „Dimmer“ für Wirkstoffe zu realisieren. Damit lassen sich Medikamente entwickeln, die eine fein abgestufte Wirkung entfalten.
Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Bronchialasthma oder Herzinsuffizienz lassen sich mit Medikamenten behandeln: Deren Wirkstoffe binden sich oft an bestimmte „Schalter“ auf der Oberfläche von Körperzellen und aktivieren dann verschiedene Signalwege.
Eine wichtige Schalter-Gruppe sind sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR). „Diese Rezeptoren regeln zum Beispiel die Weiterleitung von Nervenimpulsen und beeinflussen auf diese Weise unter anderem den Blutdruck oder die Herzfunktion“, sagt Professorin Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie der Universität Würzburg.
Medikamente mit abgestufter Wirkung
Die meisten Arzneistoffe schalten ihren GPCR entweder ein oder aus und verändern auf diese Weise die Zellfunktion. Lediglich eine Minderheit von Arzneistoffen legt den „Schalter“ nur teilweise um, wie zum Beispiel das traditionsreiche Augenmedikament Pilocarpin. Solche Arzneistoffe wirken dann milder und haben in der Regel auch weniger Nebenwirkungen.
Derart abgestuft wirkende Substanzen lassen sich bisher jedoch kaum chemisch „maßschneidern“, da über die molekulare Ursache der verminderten Rezeptoraktivierung bislang wenig bekannt ist. Ein Forschungsteam von den Universitäten Bonn, Würzburg und Mailand hat nun ein neues Konzept entwickelt, mit dem sich vorhersagen lässt, ob ein Wirkstoff einen GPCR nur teilweise aktiviert. Die Forscher versprechen sich davon Medikamente, die besser wirksam und verträglicher sind.
Publiziert in „Nature Chemical Biology“
Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Chemical Biology“ publiziert. Unter der Federführung von Professor Klaus Mohr vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn haben die Wissenschaftler gezielt das Design von Wirkstoffmolekülen untersucht, die neben einer Funktionseinheit für das Anschalten auch eine für das Ausschalten besitzen.
In ihren Laborexperimenten boten sie den GPCR Substanzen an, die – je nach Struktur dieser Funktionseinheiten – ein bestimmtes Verhältnis zwischen An- und Abschalt-Vorgängen kodieren. „In der Summe ergibt sich dann eine bestimmte Intensität der Rezeptoraktivierung durch die jeweilige Substanz. Das Prinzip gleicht somit einem Dimmer“, erklärt Apotheker Andreas Bock. Er hat diese Entdeckung bei seiner Doktorarbeit im Bonner Pharmazeutischen Institut gemacht; mittlerweile forscht er an der Universität Würzburg.
Innovative Arzneistoffe in Aussicht
Die speziell konstruierten Wirkstoffe schalten einen GPCR, den so genannten muskarinischen Acetylcholin-Rezeptor, an einer Stelle ein, über die auch der körpereigene Überträgerstoff aktiv wird, oder sie verhindern das Anschalten durch Bindung an einer anderen Stelle des Rezeptors. „Mit unserem Konzept lässt sich erstmals gezielt konstruieren, wie stark der ‚Netto-Effekt‘ eines Wirkstoffes auf den GPCR ist“, sagt Bock. Die Technologie eröffne die Aussicht, innovative Arzneistoffe herzustellen, die durch den „Dimmer“ besser wirksam und verträglicher sind. Die Arbeiten an diesem Projekt wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Quelle: Pressemitteilung der Universität Bonn
http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/264-2013www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/264-2013
Publikation
Dynamic ligand binding dictates partial agonism at a G protein-coupled receptor, Nature Chemical Biology, 10. November 2013, DOI: 10.1038/nchembio.1384
Kontakt
Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie, Universität Würzburg, T (0931) 31-85461,
holzgrab@pharmazie.uni-wuerzburg.de
Andreas Bock, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Würzburg, T (0931) 31-88855,
andreas.bock@uni-wuerzburg.de