Tiefgekühlt und hochaufgelöst
06.10.2016Bettina Böttcher ist neue Professorin am Lehrstuhl für Biochemie der Universität Würzburg. Die Cryo-Elektronenmikroskopie steht im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Mit dieser Technik erstellt sie Bilder mit atomarer Auflösung von Viren, Bakterien und makromolekularen Maschinen.
Extrem tiefe Temperaturen bis zu minus 180 Grad Celsius und eine Auflösung, die sich in der Größenordnung von Atomen bewegt: Das sind die Kennzeichen der Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM). Die Technik ermöglicht es, biologische Moleküle und Komplexe in Lösung zu untersuchen, die zuvor schockgefroren wurden, und aus einer Vielzahl von Aufnahmen – bisweilen mehrere Tausend – deren dreidimensionale Struktur zu rekonstruieren.
Bettina Böttchers Forschungsschwerpunkte
Bettina Böttcher ist Expertin auf diesem Gebiet; seit August ist sie Professorin für Cryo-Elektronenmikroskopie an der Universität Würzburg. Neben Details von Bakterien und Viren interessiert sie sich vor allem für die Struktur makromolekularer Maschinen, die essentiell für die Regulation der Proteinexpression in Zellen sind. Ein Beispiel dafür ist das Enzym RNase P. „In Zellen, die einen Zellkern enthalten, findet man zwei Varianten von RNase P. Interessanterweise sind die meisten Bausteine beider Varianten identisch; ein Austausch von nur 20 Prozent der Komponenten führt zu einer individuellen Anpassung“, erklärt die Professorin.
Von dieser modularen Architektur und der konformativen Plastizität dieser molekularen Maschinen ist Böttcher fasziniert. Mit Hilfe der Kryo-EM kann sie Konformationsänderungen auslösen und beobachten. „Da die Elektronenmikroskopie eine echte Einzelteilmethode ist, kann jeder einzelne Komplex identifiziert und mit dem Gesamtensemble während eines Prozesses verglichen werden“, sagt sie. Dadurch könnten nicht nur die Strukturen verschiedener Konformationen einer Gruppe von Molekülen bestimmt werden, sondern auch direkte Rückschlüsse über Gleichgewichte und thermodynamische Konstanten gezogen werden.
Mechanosensitiven Kanälen in Bakterien gilt ebenfalls ihr Interessen. Diese Kanäle ermöglichen es den Bakterien, sich an Umgebungen mit unterschiedlichen osmotischen Eigenschaften anzupassen. „Ohne den Schutz der mechanosensitiven Kanäle ist die Überlebensfitness der Bakterien erheblich herabgesetzt“, sagt die Professorin. Das mache diese zu einem möglichen Ziel für neuartige Antibiotika. Mit Hilfe der Kryo-EM will Böttcher die Strukturfunktionsbeziehung in den Kanälen aufklären.
Ein Zentrum für ganz Nordbayern
„Mittlerweile hat die Kryo-Elektronenmikroskopie die Röntgenstrukturanalyse als Methode der Wahl zur Strukturbestimmung von großen Komplexen abgelöst, da sie – anders als die Röntgenstrukturanalyse – keine Kristalle benötigt“, sagt Bettina Böttcher. Aus diesem Grund ist es ihrer Meinung nach für die Universität Würzburg fast schon ein Muss, eine moderne, konkurrenzfähige Kryo-EM für die Strukturbiologie aufzubauen. Dies möchte sie in den nächsten zwei Jahren umsetzen.
Erforderlich dafür seien Investitionen in der Höhe von etwa vier Millionen Euro; damit lasse sich allerdings ein Zentrum für hochauflösende Kryo-Elektronenmikroskopie für ganz Nordbayern aufbauen. Ihre entsprechenden Planungen jedenfalls stoßen schon jetzt auf erhebliches Interesse, sagt die Professorin. Und das nicht nur an der Julius-Maximilians-Universität, sondern auch an den Nachbaruniversitäten in Erlangen, Bayreuth und Regensburg.
Kryo-Elektronenmikroskopie in der Lehre verankern
Was die Lehre angeht, hat Bettina Böttcher ebenfalls sehr konkrete Vorstellungen. Dabei verfolgt sie vor allem zwei Anliegen: „Ich möchte den Studierenden zum einen das Konzept vermitteln, dass die Organisation von verschiedenen Proteinen in großen Komplexen einen funktionellen und strukturellen Mehrwert hat“, sagt sie. Sprich: Ein Komplex ist mehr als die Summe seiner Teile.
Zum anderen will sie ihren Studierenden Elektronenmikroskopie als Methode der Strukturbiologie nahebringen und bei ihnen ein Verständnis für die theoretischen Hintergründe und Prinzipien entwickeln. Auf diesem Gebiet sieht sie einen riesigen Nachholbedarf: „Wegen der rasanten Entwicklung der Methode sehen wir weltweit einen immensen Zulauf von Doktoranden und PostDocs, von denen nur die wenigsten wirklich verstehen was sie tun“, so ihre Erfahrung.
Und internationale Kurse könnten den Ausbildungsbedarf längst nicht mehr abdecken. Aus diesem Grund plant sie, vertiefende Kurse in dem Lehrplan des Biochemie-Studiums zu verankern. „Ich möchte, dass unsere Masterstudenten später als Doktoranden das theoretische Rüstzeug haben, Elektronenmikroskopie -Projekte effektiv zu gestalten“, sagt sie.
Bettina Böttchers Werdegang
Bettina Böttcher (Jahrgang 1965) hat von 1984 bis 1990 Chemie an der TU Berlin studiert. 1991 wurde sie an der Universität Stuttgart promoviert; 2002 habilitierte sie sich an der Universität Freiburg mit einer Arbeit über: „Elektronenmikroskopie und Bildverarbeitung nichtkristalliner biologischer Objekte“.
Weitere Stationen ihrer Karriere waren: Gruppenleiterin am EMBL-Heidelberg (1999-2008), Senior Research Fellow an der Universität Edinburgh (2008-2013) und Professorin für „Electron Microscopy and Image processing“ an der Universität Edinburgh (2013-2016). Dort hat sie zuletzt die Einrichtung für hochauflösende Elektronenkryomikroskopie geleitet.
Für ihre Arbeiten wurde Bettina Böttcher mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Boris-Rajewsky-Preis für Biophysik (1998) und dem Ernst-Ruska-Preis (Europäischer Preis für Elektronenmikroskopie) im Jahr 2000.
Kontakt
Prof. Dr. Bettina Böttcher, Professur für Biochemie mit Schwerpunkt Cryo-Elektronenmikroskopie,
T: (0931) 31-84193, bettina.boettcher@uni-wuerzburg.de