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Biozentrum der Universität Würzburg

Kleine Mutation mit schwerwiegenden Folgen

05.02.2020

Kleinwuchs und andere Entwicklungsstörungen sind die Folgen eines bestimmten Gendefekts. Forscher der Universitäten in Würzburg und Regensburg haben jetzt dieses Gen genauer untersucht.

LARP7-Expression in der Keimbahn von Mäusen. Gezeigt ist eine Immunfärbung des Proteins (grün), die Zellkerne sind mit einem Farbstoff (DAPI) blau markiert.
LARP7-Expression in der Keimbahn von Mäusen. Gezeigt ist eine Immunfärbung des Proteins (grün), die Zellkerne sind mit einem Farbstoff (DAPI) blau markiert. (Bild: AG Fischer / Universität Würzburg)

Es hat eine Familie in Würzburg getroffen: Bei ihr ist das Alazami-Syndrom aufgetreten – eine schwerwiegende Krankheit, die sich unter anderem durch Kleinwuchs und weitere Entwicklungsstörungen äußert. Verantwortlich dafür ist eine kleine Mutation im LARP7-Gen. Dass dieses Gen für die seltene Krankheit verantwortlich ist, ist schon seit 2012 bekannt. Seitdem sind etwa 20 Fälle der Krankheit weltweit registriert worden.

Wissenschaftler der Universitäten in Regensburg und in Würzburg haben jetzt in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Mofang Liu von der Chinese Academy of Sciences, Shanghai, das LARP7-Gen genauer unter die Lupe genommen und unerwartete neue Funktionen entschlüsselt. Daraus ergeben sich jetzt neue Einblicke in die molekularen Ursachen des Alazami-Syndroms.

An den Studien war ein Team von Utz Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie, sowie das Institut für Humangenetik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) beteiligt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in zwei Artikeln in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Molecular Cell veröffentlicht.

Eigentlich sorgt das Gen für eine Zellvermehrung

„Durch frühere Arbeiten, die unter anderem auch in unserem Labor durchgeführt worden waren, war bereits bekannt, dass das Gen LARP7 für die Transkription eine Rolle spielt“, erklärt Utz Fischer. Transkription: Wer sich noch an seinen Biologieunterricht erinnern kann, weiß, dass es sich dabei um den Prozess handelt, in dessen Verlauf die genetische Information der DNA im Zellkern durch die RNA-Polymerase in Boten-RNA (mRNA) übersetzt wird. Erst der mRNA-Strang ist dazu in der Lage, die Information aus dem Erbgut von der DNA zu den Orten der Proteinbiosynthese außerhalb des Zellkerns zu übertragen. „Dadurch werden die Gene erst handlungsfähig, denn aus der Information der mRNA können dann die notwendigen Eiweißmoleküle entstehen“, erläutert der Regensburger Biochemiker Professor Gunter Meister, der ebenfalls an der jetzt veröffentlichten Studie beteiligt war.

Bei der Transkription agiert LARP7 zusammen mit anderen Faktoren als Inhibitor der Elongation, also als eine Art „Bremsschuh“ bei der Verlängerung der mRNA durch die RNA-Polymerase. Weniger funktionsfähiges LARP7 sollte daher die Transkription stimulieren und eine Zellvermehrung im betroffenen Organismus hervorrufen. „Das hat uns stutzig gemacht“, ergänzt Dr. Daniele Hasler, ebenfalls Biochemiker an der Universität Regensburg, „denn bei den Patienten mit Alazami-Syndrom ist ja eher das Gegenteil der Fall: Sie sind kleinwüchsig.“ Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler die Entwicklung der RNA genauer unter die Lupe genommen.

Fehler im Reifeprozess der RNA

Tatsächlich ist die RNA mit der Transkription noch nicht fertig; sie muss erst „reifen“ – was nichts anderes bedeutet, als dass Teile aus ihrem Strang entfernt werden. Der Grund: In einem langen Stück RNA befinden sich zwar viele kleine Abschnitte, die die genetische Information, quasi den Bauplan für das gewünschte Eiweißmolekül tragen. Gleichzeitig beinhaltet es aber auch weitere Informationen, die für den späteren Molekülbau nicht notwendig sind. Diese werden deshalb entfernt.

Überraschenderweise ist auch an diesem Vorgang das Gen LARP7 beteiligt. Die Bestätigung dafür erhielten die Wissenschaftler, nachdem sie das Gen kurzerhand ausgeschaltet hatten. „Wir konnten sehen, dass mit einem kaputten LARP7-Gen die Reifung der RNA bestimmter Gene gestört ist. Dies war auch der Fall in den von der Alazami-Krankheit betroffenen Patienten, und die veränderten Gene stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Ausprägung von Kleinwuchs“, so Professor Meister.

Die RNA sieht ohne den Einfluss von LARP7 also nicht so aus, wie sie aussehen sollte. „Für uns ist damit klar, dass das Entfernen der unnötigen Information aus der RNA die Funktion von LARP7 ist und dass Mutationen dieses Gens zur Alazami-Erkrankung führen“, betont Dr. Hasler.

Auf die Faltung kommt es an

Heilungschancen für die seltene Erbkrankheit gibt es bisher keine. „Genau deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Gen noch genauer kennenlernen. Wir forschen weiter daran, denn wir wollen wissen, wieso diese kleine Veränderung ausreicht, um so schwerwiegende Folgen zu verursachen“, sagt Professor Utz Fischer.

Für die Biochemiker birgt die RNA und insbesondere das Gen LARP7 noch viele Rätsel. So gibt es Hinweise darauf, dass das Gen weitere Funktionen ausübt. „Wir wissen zum Beispiel, dass LARP7 während des Reifungsprozesses der RNA auch dabei hilft, die richtige Struktur einzunehmen“, so der Biochemiker. Die Vorstellung von RNA-Molekülen als langen, schnurartigen Strängen ist nämlich falsch; tatsächlich weisen sie eine komplizierte dreidimensionale Struktur auf. Und bei dieser räumlichen Anordnung kommt es auf die richtige Faltung an. „Die Form ist entscheidend, dass die RNA-Moleküle eine bestimmte Funktion ausführen können“, betont Gunter Meister und ergänzt: „Das möchten wir noch besser verstehen“.

Originalpublikationen

The Alazami Syndrome-associated protein LARP7 guides U6 small nuclear RNA modification and contributes to splicing robustness., Hasler D, Meduri R, Bąk M, Lehmann G, Heizinger L, Wang X, Li Z-T, Sement FM, Bruckmann A, Dock-Bregeon A-C, et al. Molecular Cell 2020. https://doi.org/10.1016/j.molcel.2020.01.001  

LARP7-Mediated U6 snRNA Modification Ensures Splicing Fidelity and Spermatogenesis in Mice. Xin Wang, Zhi-Tong Li, Yue Yan, Gunter Meister, Utz Fischer, and Mo-Fang Liu. Molecular Cell 2020. https://doi.org/10.1016/j.molcel.2020.01.002

Kontakt

Prof. Dr. Utz, Fischer, Universität Würzburg, Lehrstuhl für Biochemie
T: +49 931 31-84029, utz.fischer@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Von Universität Regensburg / Gunnar Bartsch

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